Lars Haise: „Respekt ist keine Einbahnstraße“
Die Entscheidung zum Neubau der Stadtbücherei liegt nun zwei Wochen zurück. Zeit, die ich genutzt habe, um nicht nur die – meiner Ansicht nach weiterhin falsche – Entscheidung zu verdauen, sondern auch das Erlebte um die sehr intensive Debatte.
Ich bin dankbar, dass nicht nur der Zeitungsverlag Waiblingen in seiner Berichterstattung den Umgang mit Kritikern des Projekts ausgesprochen gut dokumentiert hat. Ein großer Dank gebührt auch Gabi Uhde vom „Schoblatt“, die in gleich zwei Beiträgen die raue Brise, die Bedenkenträgern wie mir entgegenschlug, dokumentierte.
Der Gemeinderat hatte in seiner Sitzung am 7. April 2022 mehrheitlich, bei acht Gegenstimmen und zwei Enthaltungen, den Multimillionen-Neubau der Bücherei am Archivplatz beschlossen. Vorangegangen war neben einer Welle an Lobeshymnen insbesondere eine leidenschaftliche Debatte um Punkte, die gegen den Bau sprechen. In meiner Rede für die AfD-Fraktion habe ich nicht nur konzeptionelle und städtebauliche Mängel angesprochen, die gegen den Neubau sprechen, sondern auch auf die finanziell schlechte Situation der Stadt sowie auf die ungelösten Krisen unserer Zeit hingewiesen. Die da wären: Euro-Krise, illegale Migration, Folgen der durch staatliches Versagen verursachten Corona-Krise sowie, ganz neu, den Krieg in der Ukraine. Begleitet werden alle diese Krisen derzeit von einer spürbaren Inflation, die wir alle beim Einkauf und an der Zapfsäule, mit etwas zeitlicher Verzögerung auch bei der Nebenkostenabrechnung für unsere Häuser und Wohnungen zu spüren bekommen. Diese Krisen gehen alle nicht spurlos an Schorndorf vorbei!
Auch andere Stadträte neben der AfD meldeten ihre Bedenken an. Einer wurde während seines Wortbeitrags ständig von ausgerechnet der FDP/FW-Stadträtin unterbrochen, die noch vor wenigen Wochen bei der Amtseinführung von Oberbürgermeister Bernd Hornikel viel von „Respekt“ gesprochen hat und dass man sich ausreden lassen müsse. Der Vorsitzende der FDP/FW-Fraktion gefiel sich abermals in seiner Rolle als Störer, indem er theatralisch und mit viel Getöse den Platz verließ, als ein Kritiker sprach. Und selbst der neue Oberbürgermeister hatte wenig Verständnis für die eingebrachte Kritik. Er quittierte diese wahlweise als „Polemik“ oder „unsachlich“. Von einem CDU-Stadtrat aus besserem Hause, der zu den Sitzungen gerne mit dem Porsche anreist, war zu vernehmen, dass die Gegenspieler des Neubau-Projekts einen „populistischen Sparsamkeitswahn“ verfolgten und warf ihnen im Übrigen „kleinkrämerische Rummäkelei“ vor. Von einem SPD-Stadtrat, diese Partei ist ja allseits bekannt für ihre „guten Beziehungen zum Geld“, wurden Projektgegner sogleich als „Erbsenzähler“ abgekanzelt.
Von einer Führungskraft der Stadtverwaltung wurde sogar mein Bildungsstand infrage gestellt. Diese Führungskraft, die normalerweise keine politischen Statements zu setzen, sondern sich politisch neutral zu verhalten hat, sagte an meine Adresse gerichtet: „Auch Bildung ist Klimaschutz und würde bei manchen Statements hier nicht schaden.“ Woraufhin ich, nachdem ich mich in die Rednerliste ganz normal eingereiht habe, in sachlichem Ton erwiderte: „Wenn Sie hier vorne sitzen, sitzen Sie da nicht als Privatperson sondern als Mitarbeiter der Verwaltung. Da würde ich mir etwas mehr politische Neutralität und weniger politische Statements wünschen.“ Gemacht wurde daraus ein „Angriff“ auf einen Mitarbeiter, von dem sich der OB in vorauseilendem Gehorsam sogleich distanzierte. Verdrehte Welt!
Keine der Wortmeldungen, die vor zwei Wochen gegen die Bücherei getätigt wurden, habe ich als respektlos, polemisch oder gar unsachlich wahrgenommen. Alle Wortbeiträge waren an der Sache orientiert, aber im Wesentlichen nicht das, was die Verwaltungsspitze samt Befürworter gerne gehört hätten. Aber das gehört zu einer Debatte nun mal dazu. Insbesondere dann, wenn Stadträte über eine Sachfrage mitentscheiden sollen, die viele Jahre vor dem aktuell tätigen Gemeinderat angestoßen wurde. Blinden Kadavergehorsam kann man nicht erwarten. Aber Respekt, Toleranz und ein gutes Miteinander, auch wenn die Meinungen mal auseinander gehen. Hier sehe ich noch viel Luft nach oben für unseren neuen Oberbürgermeister. Er dient jetzt allen Schorndorfern. Nicht mehr nur den Unterstützern seines Wahlkampfs.