Rede zur Medizinkonzeption im Kreis
Rede zur Medizinkonzeption des Rems-Murr-Kreises im Kreistag am 7. April 2025 von Steffen Balz, Kreisrat (AfD):
Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Sigel,
Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
Sehr geehrte Mitglieder des Kreistags,
Sehr geehrte Damen u. Herren,
Ich bedanke mich – auch im Namen meiner Fraktion – für die Möglichkeit, in die Diskussion um das Medizinkonzept die Ansichten der AfD einbringen zu können.
Lassen Sie mich zunächst etwas formulieren, was die anderen Rednerinnen und Redner sicher genau so sagen. Wir verurteilen die Schließung der Notfallpraxis in Schorndorf und die anstehende Schließung in Backnang als überhastet und unüberlegt. Mit etwas Ruhe und Diskurs hätte sich sicher eine Lösung finden lassen.
Der Rems – Murr – Kreis ist ein Flächenlandkreis mit einer wirtschaftlich und landschaftlich sehr inhomogenen Struktur. Ein solcher benötigt eine flächendeckende und erreichbare, sowohl notfallmedizinische als auch allgemein medizinische Versorgung. Letztlich bezahlen die Einwohner von Sulzbach/Murr dieselben Krankenkassenbeiträge wie jene von Fellbach. Östlich und nordöstlich von Backnang wird die ärztliche Versorgung aber sehr dünn. Was die bisherigen Notfallpraxen anbelangt, ist der Raum des Schwäbisch-Fränkischen Waldes aber ein weißer Fleck auf der Landkarte. Denken Sie hier auch an ältere Menschen, die dort wohnen und nicht mehr ausreichend mobil sind. Denken Sie an die geplante Erhöhung der CO2 Abgabe, die Autofahren immens verteuern wird. Denken Sie an die permanent fortschreitende Teuerung, die den Menschen immer weniger Geld im Beutel lässt.
Die Schließung der Notfallpraxis bedeutet für den Raum Backnang eine riesige Enttäuschung und bekräftigt das seit der Kreisreform der 1970er Jahre in der lokalen Bevölkerung überlieferte Gefühl der Zurücksetzung des Murr – gegenüber dem Rems-Bereich.
Wurde, aufgrund einer denkbar knappen Entscheidung des damaligen Kreistags, das Backnanger Krankenhaus geschlossen, versprach man (wer auch immer) den Betroffenen und Demonstranten die dauerhafte Einrichtung der Notfallpraxis. Da die Worte „dauerhaft“ und „Versprechen“ in der heutigen Politik keine Aussagekraft mehr haben, ist nun auch die Notfallpraxis weg.
Einen sog. Gesundheitspunkt wird es auch nicht geben. Doch dazu später.
Wo liegen die Gründe für die Schließungen und welche Fragen ergeben sich daraus?
Die offiziell angeführten Gründe sind:
- Die durch ein Gerichtsurteil erstrittene Sozialversicherungspflicht für in Notfallpraxen Dienst leistende Ärztinnen und Ärzte. Diese wurden bislang auf Honorarbasis beschäftigt. Die Kassenärztliche Vereinigung argumentiert, Sozialabgaben nicht leisten zu können bzw. zu dürfen.
- Der bereits bestehende und sich perspektivisch verschärfende Ärztemangel. Dieser sticht besonders in Backnang mit einem derzeitigen Versorgungsgrad von ca. 85% besonders ins Auge. Ein solcher Versorgungsgrad ist bereits jetzt nicht ausreichend. Auch hat ein großer Teil der Ärzteschaft die Grenze von 60 Jahren überschritten und sieht einerseits der Rente und andererseits der Problematik entgegen, eine Nachfolgeregelung zu finden. Diese kann zur Zeit am Beispiel der Kinderarztpraxis Delic-Bikic besichtigt werden.
Nach den uns vorliegenden Informationen werden aber nicht alle Notfallpraxen im Land geschlossen. Stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum die regional unterschiedliche Handhabung? Das Argument der Sozialversicherungspflicht ist damit obsolet. Was unterscheidet die bereits geschlossenen und die zur Schließung anstehenden Notfallpraxen von jenen, die erhalten werden?
Welche Konsequenzen zeichnen sich ab?
Die berichtete Zunahme der Patientennachfrage in der Schorndorfer Notaufnahme lässt eine verstärkte Belastung, wenn nicht Überlastung, der Notaufnahme in Winnenden erwarten. Dies führt wiederum zu einer finanziell und personell weiter angespannten Situation der Rems-Murr-Kliniken.
Die Initiative des Kreises bzgl. einer Ersatzregelung, angeschoben von Herrn Dr. Sigel, Frau Dr. Rothermel und weiteren Beteiligten, ist daher zu begrüßen.
Jedoch lief der Einsatz in Sachen Gesundheitspunkte vorerst ins Leere. Das Konzept der Gesundheitspunkte setze ich an dieser Stelle als bekannt voraus.
- Die Annahme, der Gesundheitspunkt könne von einer nichtärztlichen Fachkraft geleitet werden, war von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Das hätte allen Beteiligten normalerweise bewusst sein müssen. das Weiterverfolgen des Konzepts kann nur erklärt werden durch:
- die Beteiligung von Menschen mit gutem Willen, aber ohne Kenntnis der Aufgaben und Strukturen der KV. Das kann von Behördenmitarbeitern und Angestellten auch nicht erwartet werden. Schleierhaft erscheint hier die Rolle der angeblich in das Projekt einbezogenen Kreisärzteschaft. Sollten Niedergelassene befragt worden sein, müsste deren Votum, sollte es ehrlich ausgefallen sein, eindeutig gewesen sein. Haben die Befragten wider besseren Wissens, quasi schulterzuckend, dem Konzept zugestimmt? Trauten sie sich nicht, den staatlichen Autoritäten, in deren Tatendrang, zu widersprechen?
- die Hoffnung auf ein Wunder.
- die Hoffnung darauf, die Politik anzuschieben, endlich etwas zu unternehmen.
Letzterem Punkt könnte man noch etwas abgewinnen, obwohl es dicke Bretter sind, die man auf höherer politischer Ebene bohren muss.
Fakt ist jedoch:
Nicht – ärztliches Personal darf ärztliche Leistungen nicht ohne ärztliche Aufsicht ausführen. Eine Delegation ist nur sehr restriktiv erlaubt. Ohne die direkte Anwesenheit eines Arztes in der Praxis geht so gut wie gar nichts.
Von nicht – ärztlichem Personal nicht regelkonform erbrachte ärztliche Leistungen dürfen natürlich auch nicht zu Lasten der GKV abgerechnet werden.
Würde nicht – ärztliches Personal ärztliche Leistungen ohne Aufsicht erbringen, wären die Haftungsrisiken im Schadensfall unabsehbar!
Auch die angestrebte Zusammenarbeit mit der KV war von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Die KV ist eine Treuhänderin. Sie sorgt für die korrekte Verteilung des von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Geldes in Form von Honorar an die Niedergelassenen.
Nur die KV ist für die ärztliche Versorgung im Rahmen der GKV zuständig. Damit ist sie vom Gesetzgeber autark aufgestellt und unterliegt keinerlei Kooperationspflicht gegenüber Kreis oder Kommunen.
Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Akzeptanz seitens der potentiellen Patienten würde ein Konzept scheitern, welches auf den Empfang durch Hilfspersonal und der optionalen telemedizinischen Zuschaltung eines Arztes oder einer Ärztin fußt. In Deutschland wünscht der hilfesuchende Mensch einen Arzt oder eine Ärztin zu sehen, und zwar direkt. Jemand, der sich mit akuten Beschwerden in einem derart konzipierten Gesundheitspunkt einfände, würde dies sicher nur einmal tun. In Anbetracht der enormen, immer weiter steigenden Beiträge zur GKV haben Patienten auch eine gewisse Anspruchshaltung.
Der gute Wille ist in der Entwicklung des Konzepts sichtbar, jedoch: gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Es ist schade um die personellen und finanziellen Ressourcen, gerade in einer Zeit, in der der Kreis eben nicht im Geld schwimmt.
Der Fisch der ärztlichen Versorgung generell stinkt vom Kopf her.
Die Politik im Bund muss sich des Problems annehmen.
Kreise, Kommunen und deren Bewohner sind unmittelbar betroffen, haben aber keinerlei Möglichkeit, ändernd einzugreifen.
Damit wäre ich beim letzten Punkt, nämlich der Frage, was zu tun wäre.
Zuerst die schlechte Nachricht: wir werden uns auf weitere Verschlechterung der ärztlichen Versorgung einrichten müssen.
Die Politik wird keine umfassenden Reformen in Gang setzen. Die etablierten Parteien tragen die Schuld am Desaster. Sie haben während der vergangenen Jahrzehnte unser Gesundheitssystem in Grund und Boden regiert. Sie werden versuchen, sich weiter durchzuwursteln. Sie haben Angst, den Wählern reinen Wein einzuschenken. Sie haben Angst, Wählerstimmen zu verlieren.
Was nicht hilfreich ist:
Beschimpfungen der Ärzteschaft als Abzocker, Steuerhinterzieher usw.
Ministerialdirigent Dr. Jung: „ich bekomme Euch noch auf Facharbeiterniveau“.
Zumüllen der Praxen mit immer mehr unsinnigster Bürokratie wie Dokumentationspflichten, Gerätevalidierungen als Goldesel für die Industrie, Zwangsfortbildungen und div. Kontrollen, alles v.A. während der vergangenen 30 Jahre aufgebaut.
Migration in die Sozialsysteme, die selbstverständlich in den Praxen ankommt und die Beiträge der kranken Kassen verbrennt.
Also: Sie alle, die Sie als Mitglieder der etablierten Parteien hier sitzen: weinen sie bitte keine Krokodilstränen und lügen Sie den Menschen nicht vor, jetzt würde alles besser!
Wir werden höchstwahrscheinlich eine lange Durststrecke im Gesundheitswesen vor uns haben.
Auch wir von der AfD haben kein Patentrezept.
Unser Konzept heißt v.A. Ehrlichkeit! Wir waren bisher nie in Verantwortung. Wir tragen keinerlei Schuld an den Zuständen.
In aller Kürze, was zu tun wäre:
Rückschnitt der Bürokratie mit der Mileischen Kettensäge um mindestens 80%.
Infragestellung des Krankenkassensystems. Deutschland braucht nicht den bestehenden Wildwuchs zahlreicher Kassen und deren Verwaltungen.
Dringender Stopp der Migration in unser Sozialsystem! Deutsche Beiträge für deutsche Beitragszahler!
Ausbau der Studienplätze samt Abschaffung des Numerus clausus.
Kreativität bei der Suche nach zukünftigen Ärztinnen und Ärzten über Gemeinden, Nachbarschaften, Vereine. Nutzung der regionalen Verwurzelung Jugendlicher.
Vergabe von Stipendien direkt von Kommunen und Begleitung der angehenden Ärzte durch Wertschätzung.
Goodies an niederlassungswillige Ärzte z.B. in Form der Hilfe bei der Wohnungssuche sowie Sicherung eines Kitaplatzes und sonstige Vergünstigungen, wobei der Kreativität keine Grenzen gesetzt sein sollten.
Auch darf nicht nur an den Arzt, die Ärztin gedacht werden. Auch das Praxispersonal ist knapp.
Die sog. Landarztquote ist ein Schritt in die richtige Richtung, ist aber ein typisches Ergebnis aus Beamtenhirnen.